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Landgericht Stuttgart weist Beschwerden gegen die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans der VARTA AG ab

Datum: 24.01.2025

Kurzbeschreibung: Die 1. Zivilkammer hat mit Beschluss vom 21.01.2025 die Beschwerden zahlreicher Aktionäre gegen die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans der VARTA AG abgewiesen (1 T 12/24).

Gegenstand des Verfahrens

Die VARTA AG zeigte am 21.07.2024 bei dem Restrukturierungsgericht Stuttgart ein Restrukturierungsvorhaben nach § 31 StaRUG an. Am 31.10.2024 legte die VARTA AG dem Amtsgericht Stuttgart - Restrukturierungsgericht - einen Restrukturierungsplan vor und beantragte die Durchführung eines Planabstimmungsverfahrens. Der gerichtlich bestellte Restrukturierungsbeauftragte teilte mit, dass es nach den von der VARTA AG vorgelegten Unterlagen und erteilten Informationen nachvollziehbar und plausibel sei, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit der VARTA AG durch den Plan beseitigt und dass die Bestandsfähigkeit der VARTA AG durch den Restrukturierungsplan sicher- oder wiederhergestellt werde. Der Restrukturierungsplan sieht unter anderem vor, dass der Einstieg mehrerer Fremdkapitalgeber und ein Kapitalschnitt auf Null verbunden mit einem vollständigen Verlust der Bezugsrechte der aktuellen Aktionäre erfolgen sollen.
In dem Erörterungs- und Abstimmungstermin am 25.11.2024 widersprachen einzelne Gläubiger (unter anderem einige der Beschwerdeführer) dem Restrukturierungsplan. Während in den meis-ten nach dem Plan gebildeten Gruppen eine Mehrheit zustimmte, wurde in der Gruppe 7, in der die Streubesitzaktionäre erfasst sind, die erforderliche Mehrheit von 3/4 nicht erreicht. Die VARTA AG beantragte mit Schriftsatz vom 22.11.2024 und im Termin vom 25.11.2024 die Planbestätigung.
Mit Beschluss vom 11.12.2024 bestätigte das Restrukturierungsgericht den am 31.10.2024 vorgelegten und im Erörterungs- und Abstimmungstermin vom 25.11.2024 geänderten Restrukturierungsplan gemäß § 60 Abs. 1 StaRUG.
Die Beschwerdeführer tragen im Wesentlichen vor, dass sie durch den in Rede stehenden Plan schlechter gestellt würden als in einem Alternativszenario, welches die Beschwerdeführer teilweise in einem Insolvenzverfahren und teilweise in einer alternativen Sanierung unter Beteiligung bzw. jedenfalls der Beibehaltung der Bezugsrechte der Aktionäre sehen. Im Hinblick auf das Insolvenzverfahren wird vorgetragen, dass eine Insolvenzeröffnung einer fortbestehenden Werthaltigkeit der Aktien nicht widerspreche, ein Verkauf selbiger also noch möglich sei. Im Hinblick auf eine alternative Sanierung wird ausgeführt, dass die Aktionäre sich an einer Kapitalerhöhung hätten beteiligen können. Zudem wird bezweifelt, dass die im Restrukturierungsplan vorgesehenen Kapitalerhöhungen bzw. Einlageleistungen nicht auch unter Beibehaltung der Bezugsrechte der Aktionäre erfolgen könnten mit der Folge, dass den Aktionären die Möglichkeit zur Partizipation an einer zukünftigen Wertaufholung verbliebe. Der laut Plan für den Minderheitenschutz vorgesehene Betrag von 1 Mio. Euro sei nicht ausreichend.

Wesentliche Erwägungen der Kammer

Die Kammer hat den Beschwerden nicht abgeholfen, da diese unzulässig waren.
Bei der gerichtlichen Prüfung eines bestätigten Sanierungsbeschlusses ist der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts eingeschränkt. Beschwerden gegen den Bestätigungsbeschluss sind lediglich dann zulässig, wenn die Beschwerdeführer glaubhaft machen, dass sie bei Durchführung des Sanierungsplans wesentlich schlechter stehen würden als ohne diesen, § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG. Berücksichtigungsfähig sind neben dem Insolvenzszenario nur hinreichend wahrscheinliche alternative Fortführungsszenarien.
Das Beschwerdegericht muss bei der Beurteilung der wesentlichen Schlechterstellung zwar keine volle Überzeugung erlangen. Ausreichend ist vielmehr bereits die Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Der Beschwerdeführer muss demnach Umstände darlegen und präsente Beweismittel einführen, die die Annahme einer sicheren wesentlichen Schlechterstellung mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % ermöglichen. Diese beizubringen ist im Rahmen der Glaubhaftmachung genauso Aufgabe des antragstellenden Planbetroffenen wie die konkrete Darstellung von realistischen Alternativszenarien. Mindestens muss der antragstellende Planbetroffene sich mit der im Restrukturierungsplan enthaltenen Vergleichsrechnung und den darin enthaltenen Angaben zu Werteallokationen konkret auseinandersetzen; regelmäßig wird er auch eigene Berechnungen anstellen müssen.
Diesen Anforderungen genügten die Beschwerden nicht.
Ausgehend von der im Restrukturierungsplan tiefgehend dargelegten Darstellung der VARTA AG wäre ohne den Sanierungsplan mit einer Insolvenz der VARTA AG zu rechnen, die einerseits den Verlust von mehr als 4.000 Arbeitsplätzen und andererseits ebenfalls eine Wertlosigkeit und einen Verlust der Aktien zur Folge hätte. Die Beschwerdeführer ständen danach nicht besser als nach dem Restrukturierungsplan.

Den Beschwerdeführern ist es nicht gelungen, dies mit dem hinreichenden Wahrscheinlichkeitsgrad zu widerlegen. Ein alternatives Fortführungsszenario, das überwiegend wahrscheinlich realisiert werden kann, konnten die Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen. In den sofortigen Beschwerden finden sich keine ausreichend konkreten und glaubhaft gemachten Ausführungen zu dem aus Sicht des jeweiligen Beschwerdeführers heranzuziehenden Alternativszenario. Insgesamt legen die Beschwerdeführer keine Umstände dar, aufgrund derer die Kammer zu der Einschätzung gelangen konnte, eine Lösung unter Einbeziehung aller Aktionäre sei mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit von über 50 % realisierbar.

Mangels Zulässigkeit der Beschwerden war der Kammer eine umfassende Befassung mit dem Plan und dem durchgeführten StaRUG-Verfahren nicht möglich.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.



Anhang: Rechtsvorschriften

Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz - StaRUG)

§ 38 Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung

Für Verfahren in Restrukturierungssachen gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

§ 64 Minderheitenschutz

(1) Auf Antrag eines Planbetroffenen, der gegen den Restrukturierungsplan gestimmt hat, ist die Bestätigung des Plans zu versagen, wenn der Antragsteller durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechter gestellt wird als er ohne den Plan stünde. Hat der Schuldner gegen den Inhaber einer Absonderungsanwartschaft eine Vollstreckungs- oder Verwertungssperre erwirkt, die diesen an der Verwertung der Anwartschaft hinderte, bleiben Minderungen im Wert der Anwartschaft, die sich während der Dauer der Anordnung ergeben, für die Bestimmung der Stellung des Berechtigten ohne Plan außer Betracht, es sei denn, die Wertminderung hätte sich auch ohne die Anordnung ergeben.

(2) Der Antrag nach Absatz 1 ist nur zulässig, wenn der Antragsteller bereits im Abstimmungsverfahren dem Plan widersprochen und geltend gemacht hat, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird als er ohne Plan stünde. Ist die Planabstimmung in einem gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin erfolgt, muss der Antragsteller spätestens in diesem Termin glaubhaft machen, durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt zu werden.

(3) Der Antrag nach Absatz 1 ist abzuweisen, wenn im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Planbetroffener eine Schlechterstellung nachweist. Ob der Antragsteller einen Ausgleich aus diesen Mitteln erhält, ist außerhalb der Restrukturierungssache zu klären.

(4) Hat weder eine Versammlung der Planbetroffenen (§ 20) noch ein Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 45) stattgefunden, gilt Absatz 2 Satz 1 nur, wenn im Planangebot besonders auf das Erfordernis der Geltendmachung der voraussichtlichen Schlechterstellung durch den Plan im Abstimmungsverfahren hingewiesen wurde. Hat eine Versammlung der Planbetroffenen stattgefunden, gilt Absatz 2 Satz 1 nur, wenn in dem Einberufungsschreiben besonders auf das Erfordernis der Geltendmachung der voraussichtlichen Schlechterstellung durch den Plan im Abstimmungsverfahren hingewiesen wurde. Absatz 2 Satz 2 gilt nur, wenn in der Ladung besonders auf das Erfordernis der Glaubhaftmachung der voraussichtlichen Schlechterstellung durch den Plan spätestens im Erörterungs- und Abstimmungstermin hingewiesen wurde.

§ 66 Sofortige Beschwerde

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Restrukturierungsplan bestätigt wird, steht jedem Planbetroffenen die sofortige Beschwerde zu. Dem Schuldner steht die sofortige Beschwerde zu, wenn die Bestätigung des Restrukturierungsplans abgelehnt worden ist.

(2) Die sofortige Beschwerde gegen die Bestätigung des Restrukturierungsplans ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer

1. dem Plan im Abstimmungsverfahren widersprochen hat (§ 64 Absatz 2),
2. gegen den Plan gestimmt hat und
3. glaubhaft macht, dass er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird als er ohne den Plan stünde und dass dieser Nachteil nicht durch eine Zahlung aus den in § 64 Absatz 3 genannten Mitteln ausgeglichen werden kann.

(3) Absatz 2 Nummer 1 und 2 gilt nur, wenn im Einberufungsschreiben oder in der Ladung zum Termin auf die Notwendigkeit des Widerspruchs und der Ablehnung des Plans besonders hingewiesen wurde. Hat weder eine Versammlung der Planbetroffenen (§ 20) noch ein Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 45) stattgefunden, so gilt Absatz 2 Nummer 1 und 2 nur, wenn im Planangebot auf die Notwendigkeit des Widerspruchs und der Ablehnung des Plans besonders hingewiesen wurde.

(4) Auf Antrag des Beschwerdeführers ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung der Beschwerde an, wenn der Vollzug des Restrukturierungsplans mit schwerwiegenden, insbesondere nicht rückgängig zu machenden Nachteilen für den Beschwerdeführer einhergeht, die außer Verhältnis zu den Vorteilen des sofortigen Planvollzugs stehen.

(5) Das Beschwerdegericht weist die Beschwerde gegen die Bestätigung des Restrukturierungsplans auf Antrag des Schuldners unverzüglich zurück, wenn die alsbaldige Rechtskraft der Planbestätigung vorrangig erscheint, weil die Nachteile eines verzögerten Planvollzugs die Nachteile für den Beschwerdeführer überwiegen; ein Abhilfeverfahren findet nicht statt. Dies gilt nicht, wenn ein besonders schwerer Rechtsverstoß vorliegt. Weist das Beschwerdegericht die Beschwerde nach Satz 1 zurück, ist der Schuldner dem Beschwerdeführer zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihm durch den Planvollzug entsteht; die Rückgängigmachung der Wirkungen des Restrukturierungsplans kann nicht als Schadensersatz verlangt werden. Für Klagen, mit denen Schadensersatzansprüche nach Satz 3 geltend gemacht werden, ist das Landgericht ausschließlich zuständig, das die Beschwerde zurückgewiesen hat.

Zivilprozessordnung (ZPO)

§ 294 Glaubhaftmachung

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

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