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Landgericht Stuttgart weist Millionenklage gegen Röstkaffeehersteller ab

Datum: 30.01.2025

Kurzbeschreibung: Die 11. Zivilkammer hat mit Urteil vom 30.01.2025 die Klage des Insolvenzverwalters der ehemaligen Drogeriekette Schlecker gegen eine große Kaffeerösterei wegen des sog. Kaffeerösterkartells abgewiesen (Az. 11 O 124/16).

Gegenstand des Verfahrens

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte im Zeitraum von 1999 bis 2008 mit drei anderen Röstkaffeeherstellern kartellrechtswidrige Absprachen in Bezug auf den Verkauf von Röstkaffee, insbesondere Filterkaffee, getroffen. Die beteiligten Kaffeeröster einigten sich darauf, ihre Preisfestsetzung so zu koordinieren, dass das an den Endverbrauchermärkten bestehende Preisabstandsgefüge in den Endverkaufspreisen ihrer Hauptprodukte im Kern aufrechterhalten bleibt. Insbesondere stimmten die Kartellteilnehmer ihr Verhalten auch in Bezug auf mehrere Preiserhöhungen ab.

Schlecker war bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2012 eines der größten Einzelhandelsunternehmen im Drogeriebereich in Deutschland mit dem mit Abstand dichtesten Filialnetz. In seinem Sortiment befanden sich auch Röstkaffeeprodukte verschiedener Hersteller. Im Zeitraum von Anfang 2003 bis Ende 2008 bezog Schlecker Röstkaffeeprodukte von drei Kartellanten zu einem Warenwert von rund 283,5 Mio. Euro.

Mit der Klage verlangte der Insolvenzverwalter zuletzt Schadensersatz in Höhe von rund 54 Mio. Euro von der Beklagten, im Wesentlichen mit der Begründung, die Absprachen zwischen den vier beteiligten Kaffeeröstern hätten zu einer kartellbedingten Überhöhung der Einkaufspreise geführt, wodurch Schlecker ein Schaden entstanden sei.

Wesentliche Erwägungen der Kammer

Die Kammer hat einen Schadensersatzanspruch verneint und die Klage abgewiesen. Nach Ansicht der Kammer fehlt bereits die Anspruchsberechtigung, da sich Schlecker seinerseits an kartellrechtswidrigen Vertikalvereinbarungen mit der beklagten Kaffeerösterei beteiligt hatte. Die Kammer ist nach Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen und Auswertung von Unterlagen zu der Überzeugung gelangt, dass Schlecker einerseits Kenntnis von den (horizontalen) Absprachen zwischen den Kaffeeröstern hatte und sich andererseits an (vertikalen) Absprachen mit der Beklagten über Endverkaufspreise von Röstkaffeeprodukten, insbesondere Aktionspreise, aktiv beteiligt hat. Nach Ansicht der Kammer war das Kaffeerösterkartell mit mehreren Vertikalkartellen funktional verknüpft, da ein Kartellteilnehmer seine Endverkaufspreise selbst festlegen konnte und festgelegt hatte, so dass die übrigen Kartellteilnehmer dafür Sorge tragen mussten, dass sich Preiserhöhungen bei den Endverkaufspreisen durchsetzen. Dies sollte durch Absprachen zwischen Hersteller und Handelsunternehmen gewährleistet werden.

Im Verfahren hatte der Insolvenzverwalter selbst eingeräumt, dass es in der Vergangenheit im Verhältnis zwischen Industrie und Einzelhandel verbotene Festsetzungen von Verkaufspreisen gegeben habe. Eine aktive Teilnahme Schleckers an einem Vertikalkartell mit der Beklagten bestritt der Kläger allerdings.

Die Kammer ist jedoch bei Gesamtwürdigung einer Vielzahl von Zeugenangaben und anderen Indizien zu der Überzeugung gelangt, dass sich Schlecker systematisch an Vertikalvereinbarungen mit der Beklagten beteiligt hat. Insbesondere hat die Kammer festgestellt, dass Schlecker für die Einhaltung von abgesprochenen Endverkaufspreisen von der Beklagten finanzielle Anreize erhalten hat. Die vereinbarten Endverkaufspreise hat Schlecker auch weitgehend eingehalten. Flankierend wurde ein Preisüberwachungssystem („Preistracking“) etabliert, um die Einhaltung der Endverkaufspreise der Wettbewerber von Schlecker (auf Handelsebene) zu überwachen. Daneben gab es ein Beschwerdemanagement (sog. „Preispflege“), das dazu diente, auf Wettbewerber im Handel Einfluss zu nehmen, wenn diese sich nicht an die abgesprochenen Verkaufspreise hielten.

Da Schlecker durch aktive Beteiligung an vertikalen Vereinbarungen mit der Beklagten über Endverkaufspreise selbst gegen kartellrechtliche Verbotstatbestände verstoßen hat, scheiden Schadensersatzansprüche aus. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können zwar grundsätzlich auch Kartellteilnehmer Schadensersatz von anderen Kartellanten verlangen. Jedenfalls bei einer erheblichen Verantwortlichkeit des anspruchsstellenden Kartellteilnehmers kann jedoch eine Anspruchsberechtigung fehlen und ein Schadensersatzanspruch vollständig versagt werden. Dies ist nach Auffassung der Kammer im zu entscheidenden Verfahren der Fall.

Die Kammer hat auch geltend gemachte Schadensersatzansprüche des Klägers für von den anderen Kartellanten bezogene Kaffeeröstprodukte abgewiesen. Zwar haften Kartellanten gesamtschuldnerisch auch für Schadensersatzansprüche gegen die Mitkartellanten. Die Kammer hat Vertikalabsprachen auch nur in Bezug auf die Beklagte festgestellt. Insbesondere wegen der funktionalen Verknüpfung zwischen Horizontalkartell und Vertikalkartellen und der erheblichen Marktbedeutung von Schlecker wirkten sich die Absprachen zwischen Schlecker und der Beklagten jedoch auch auf alle anderen Kartellanten aus. Das Geschehen lässt sich aus Sicht der Kammer nicht aufspalten in vom Vertikalkartell betroffene Beschaffungsvorgänge (von der Beklagten) und nicht vom Vertikalkartell betroffene Beschaffungsvorgänge (von den anderen Kartellanten), so dass Schlecker von der Beklagten auch keinen Schadensersatz für Wareneinkäufe von anderen Kartellanten verlangen kann.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

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