Suchfunktion
Landgericht Stuttgart gibt Klage der Stadt Ulm in Bezug auf das Zeichen „Verschwörhaus“ statt
Datum: 24.04.2023
Kurzbeschreibung: Die 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart hat mit am 24. April 2023 verkündetem Urteil einer Klage der Stadt Ulm gegen den Verein Verschwörhaus e.V. stattgegeben (Aktenzeichen 17 O 191/22).
Dem Verein wurde es unter anderem antragsgemäß untersagt, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Klägerin das Zeichen „Verschwörhaus“ zu verwenden, insbesondere als Vereinsnahmen und zur Kennzeichnung von Dienstleistungen im Bereich der Bildung und Weiterbildung, für Social Media Accounts und Websites. Bei Zuwiderhandlung drohen dem beklagten Verein ein Ordnungsgeld von bis zum 250.000,00 Euro und ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen am Vorstand. Der Beklagte wurde zudem verurteilt, in die Rücknahme der Widersprüche gegen Markenanmeldungen der Klägerin betreffend des Zeichens „Verschwörhaus“ und eines entsprechenden Logos einzuwilligen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Gegenstand des Verfahrens
Die Stadt Ulm nimmt mit der Klage vom 16.09.2022 den beklagten Verein auf Unterlassung der Nutzung des Zeichens „Verschwörhaus“, eines entsprechenden Logos, einer Domain sowie Social Media Accounts in Anspruch. Der Beklagte macht dasselbe widerklagend gegen die Klägerin geltend.
Die Klägerin mietete nach einem entsprechenden Gemeinderatsbeschluss im Jahr 2016 Räumlichkeiten in dem Gebäude an der Adresse Weinhof 7-9 in Ulm an. Das Gebäude befindet sich in unmittelbarer Nähe zum sogenannten „Schwörhaus“ in Ulm, vor welchem der Oberbürgermeister traditionsgemäß gegenüber der Bürgerschaft jedes Jahr den Schwur auf die Stadtverfassung erneuert. Zweck der Anmietung war es, ein sog. „Stadtlabor“ im Sinne eines digitalen Bolzplatzes einzurichten, bei dem eine sich aus Ehrenamtlichen speisende Community aus der Progammierer- und Open Data-Szene überwiegend mit Mitteln der Klägerin als digitale Ideenschmiede betätigen sollte. Im Juli 2016 wurden die Räumlichkeiten in Betrieb genommen und das Projekt offiziell eröffnet. Im Jahr 2019 gründete sich der Beklagte aus Mitgliedern der zuvor in dem Projekt tätigen Community und es erfolgte die Eintragung in das Vereinsregister. Im Dezember 2021 meldete die Klägerin beim Europäischen Markenamt die Unionsmarke „Verschwörhaus“ und ein entsprechendes Logo an. Im weiteren Verlauf kam es zum Zerwürfnis zwischen den Parteien. Die Klägerin nahm den Beklagten außergerichtlich auf Unterlassung der Verwendung des Zeichens „Verschwörhaus“ sowie des korrespondierenden Logos in Anspruch. Der Beklagte verlangte seinerseits dasselbe von der Klägerin und legte Widerspruch gegen die Markenanmeldungen ein.
Zwischen den Parteien besteht im Wesentlichen Streit darüber, wem (ältere) Rechte an dem Zeichen „Verschwörhaus“ zustehen.
Wesentliche Erwägungen der Kammer
Die Kammer ist der Auffassung, dass der Klägerin an den streitgegenständlichen Zeichen Namensrechte nach § 12 BGB im Sinne einer Etablissementbezeichnung zustünden. Diese Rechte seien prioritätsälter als etwaige Rechte auf Beklagtenseite. Daher stünden der Klägerin die klageweise geltend gemachten Ansprüche gem. §§ 12, 823 Abs. 1, 1004 BGB zu.
Bei dem in Ulm betriebenen „Verschwörhaus“ handele es sich um ein gesondert ausgewiesenes Verwaltungsprojekt der Klägerin, das mit besonderen Mitteln ausgestattet sei und in der Organisation der Klägerin explizit aufgeführt werde und somit als städtische Einrichtung zur namensmäßigen Unterscheidung mit einer eigenen Bezeichnung versehen werden könne. Der Gemeinderat der Klägerin habe 2016 bewilligt, dass für das Projekt – dort noch als „Stadtlabor“ bezeichnet – eigens Räumlichkeiten angemietet werden sollten. Die Räumlichkeiten seien nach Beginn ihrer Nutzung im Sommer 2016 und seit ihrer im selben Jahr erfolgten Kennzeichnung mit den streitgegenständlichen Zeichen auf dem Schaufenster ausschließlich als „Verschwörhaus“ wahrgenommen worden. Eine andere Bezeichnung für die Räumlichkeiten im Erdgeschoss habe es nicht gegeben. Die Räumlichkeiten hätten sich aus Sicht eines interessierten Bürgers von Anfang das „Verschwörhaus“ dargestellt. Die Klägerin habe die Bezeichnung „Verschwörhaus“ und das Logo seitdem kontinuierlich in ihrer internen Kommunikation und nach außen verwendet. In der Presse sei ebenfalls ausschließlich vom „Verschwörhaus“ berichtet worden. Die Bezeichnung sei konkret in Verbindung mit den Räumlichkeiten entstanden. Das zeige sich nicht zuletzt an der Gestaltung des Logos, das eine stilisierte Abbildung eines Gebäudes enthielt.
Die hinter dem Beklagten stehenden Ehrenamtlichen hatten nach Auffassung der Kammer nicht bereits vor Eröffnung der Räumlichkeiten im Jahr 2016 Rechte an der Bezeichnung „Verschwörhaus“ erworben. Soweit die Beklagtenseite vorträgt, es habe bereits seit Ende 2015 eine Community existiert, die sich den Namen „Verschwörhaus“ gegeben habe und der Ansicht ist, deren Priorität könne der Beklagte als Rechtsnachfolger der Community in Anspruch nehmen, teilt die Kammer diese Beurteilung nicht. Die Community sei mangels erforderlichen Rechtsbindungswillens der variierenden ehrenamtlichen Mitglieder bereits keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewesen. Zwar sei grundsätzlich denkbar, dass selbst nichtrechtsfähige Gebilde Namensschutz nach § 12 BGB für sich in Anspruch nehmen könnten. Dann müsse es sich aber zumindest um eine hinreichend abgegrenzte und dauerhaft verselbständigte Einheit handeln, die zudem unter einem Gesamtnamen nach außen auftrete. Dies sei in dem Zeitraum vor Bezug der Räumlichkeiten 2016 jedoch nicht der Fall gewesen. Die seitens des Beklagten hierfür vorgelegten Unterlagen enthielten nach Auffassung der Kammer keine Nachweise für ein solches Auftreten der Community.
Auch mit dem Einzug in die Räumlichkeiten im Jahr 2016 seien keine entsprechenden Rechte der Community entstanden. Die dort stattfindenden Aktivitäten hätten vielmehr die Etablissementbezeichnung „Verschwörhaus“ nebst Logo zugunsten der Klägerin nach § 12 BGB begründet. Unter anderem habe sich das „Stadtlabor“, das im streitgegenständlichen Gebäude entstehen sollte, im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit seiner Eröffnung aufgrund der prominenten Kennzeichnung auf der Schaufensterfront von Beginn an als „Verschwörhaus“ dargestellt. Eine andere Einrichtung namens „Stadtlabor“ existierte daneben tatsächlich nie. Daher sei von Beginn an klar gewesen, dass es sich bei dem „Verschwörhaus“ um die Einrichtung gehandelt habe, die die Klägerin mit dem Stadtlabor intendiert hätte. Die Community habe von Beginn an überwiegend von der Klägerin zur Verfügung gestellte Mittel in Form der Räumlichkeiten, Maschinen, Möbel und Gelder genutzt. Auch den Folienplott mit den streitgegenständlichen Zeichen, der an den Räumlichkeiten angebracht war, und die Gestaltung des Logos habe die Klägerin bezahlt. Ohne die Mittel der Klägerin und die kostenlose Nutzung der Räumlichkeiten hätten die Ehrenamtlichen überhaupt nicht in dieser Form und in diesem Umfang tätig werden können. Das „Verschwörhaus“ sei zudem in der Organisationsstruktur der Klägerin fest verankert gewesen. Das zentrale Mitglied der Community sei ferner längere Zeit zum Zwecke des Betriebs des Verschwörhaus bei der Klägerin angestellt gewesen. Schließlich sei das Projekt auch durch Community-Mitglieder nach außen stets als Einrichtung der Klägerin präsentiert worden, nicht als Community, die diesen Namen trage. Es fehle an einer ausreichend klaren Abgrenzung auf Beklagtenseite dahingehend, dass mit der gut sichtbaren Bezeichnung „Verschwörhaus“ und dem Logo an den Räumlichkeiten nicht die städtische Örtlichkeit bezeichnet werde, sondern lediglich die Ehrenamtlichen gemeint seien, die sich in den Räumlichkeiten aufhielten und diese mit Leben füllten.
Unter Berücksichtigung dieser und weiterer Umstände gelangte die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Zeichen trotz des unstreitig erbrachten Engagements der Ehrenamtlichen nicht einer etwaigen Community als Vorläufer des Beklagten zugeordnet werden können.
Dr. Sebastian Sonn, Sprecher des Landgerichts Stuttgart in Zivilsachen