Suchfunktion

Landgericht Stuttgart weist Klage von Kaufhausketten gegen das Land Baden-Württemberg wegen Corona-Lockdowns ab

Datum: 15.04.2025

Kurzbeschreibung: Die 7. Zivilkammer hat mit Urteil vom 15.04.2025 die Schadensersatzklage zweier großer Kaufhausketten gegen das Land Baden-Württemberg im Zusammenhang mit Corona-Lockdowns abgewiesen (Az. 7 O 224/23).

Gegenstand des Verfahrens

Mit der Klage macht die Muttergesellschaft zweier großer Kaufhausketten Schadensersatzansprüche gegen das Land Baden-Württemberg in Höhe von über 32 Mio. Euro geltend. Sie fordert für die teilweise mehrmonatigen Geschäftsschließungen aufgrund Corona-Lockdowns vom 18.03.2020 bis 03.05.2020 (Lockdown I) und vom 16.12.2020 bis 22.04.2021 (Lockdown II) Schadensersatz für ausgefallenen Gewinn.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Rechtsverordnungen zu den Lockdowns verletzten die Kaufhausketten jeweils in ihren Grundrechten. Die Betriebsschließungen seien rechtswidrig, da sie ohne in sich stimmiges, durchdachtes epidemiologisches Konzept und ohne vollständige und sachlich richtige Entscheidungsgrundlage getroffen worden seien. Es sei unterlassen worden, die Effektivität von Maßnahmen aus wissenschaftlicher Sicht zu evaluieren und es habe keine systematische Analyse oder Aufarbeitung von relevanten Ausbruchsuntersuchungen im Einzelhandel vorgelegen. Die erlassenen Rechtsverordnungen seien daher zur Erreichung des Infektionsschutzziels nicht verhältnismäßig gewesen.

Zudem hätten Lebensmitteleinzelhändler und einige weitere privilegierte Einzelhandelsunternehmen in der Zeit der Lockdowns öffnen und dabei nicht nur Lebensmittel, sondern auch die gesamten Non-Food-Sortimente ohne relevante Beschränkung verkaufen dürfen, während das Land dem reinen sog. „Non-Food“-Einzelhandel die Öffnung seiner Geschäfte für den Publikumsverkehr vollständig untersagt habe. Eine Ungleichbehandlung liege auch vor, soweit bestimmte andere Non-Food-Händler, wie zum Beispiel Baumärkte, hätten öffnen dürfen. Dies verstoße gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes.

Gleichartige Klagen gegen andere Bundesländer wurden bei anderen Landgerichten anhängig gemacht.

Wesentliche Erwägungen der Kammer

Den Kaufhausketten stehen keine Entschädigungsansprüche zu.

Rechtsgrundlage für die Betriebsschließungen und –beschränkungen im Einzelhandel anordnenden Rechtsverordnungen war § 28 Abs. 1 IfSG bzw. § 28a IfSG in Verbindung mit § 32 IfSG.

Die weltweite Ausbreitung von Covid-19 wurde am 11.03.2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt. In den streitgegenständlichen Zeiträumen gab es in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Baden-Württemberg, wie sich aus den Lageberichten des Robert-Kochs-Instituts (RKI) ergibt, zahlreiche mit SARS-CoV- 2 infizierte Menschen und damit eine hohe Anzahl Krankheits- und Ansteckungsverdächtiger. Der Bundesgerichtshof hat dementsprechend in seinen Entscheidungen vom 03.08.2023 (Az. III ZR 54/22) und 11.02.2024 (Az. III ZR 134/22) ausführlich dargelegt und begründet, dass im Zeitraum von März 2020 bis Oktober 2021 die Voraussetzungen des Infektionsschutzgesetzes vorlagen. Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer an.

Die Verordnungen waren rechtmäßig und vereinbar mit dem Grundgesetz.

Durch die Anordnung von Betriebsschließungen und -beschränkungen griff das beklagte Land zwar in die Substanz der Grundrechte der Kaufhausketten ein. Die Maßnahmen waren jedoch verhältnismäßig.

Denn die Verhältnismäßigkeit einer Regelung, der prognostische Entscheidungen zugrunde liegen, ist nicht nach der tatsächlichen späteren Entwicklung, sondern danach zu beurteilen, ob der Verordnungsgeber zum Zeitpunkt der Maßnahme davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet, erforderlich und angemessen war, ob seine Prognose also sachgerecht und vertretbar war. Die Verhältnismäßigkeit setzt somit nicht voraus, dass es zweifelsfreie empirische Nachweise hinsichtlich der Wirksamkeit der Maßnahmen gibt. Erfolgt ein Grundrechtseingriff zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es aufgrund tatsächlicher Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die Prüfung auf die Vertretbarkeit der Prognose beschränkt.

Infektionsschutzrechtliche Entscheidungen, die im Zuge einer Pandemie mit einer neuartigen Krankheit und mit einem dynamischen Infektionsgeschehen getroffen werden, müssen typischerweise auf einer nicht gesicherten Erkenntnislage ergehen, was zwangsläufig Ungewissheiten sowie Spielräume bei den Handlungsoptionen mit sich bringt. Dem Verordnungsgeber stand daher bei der Wahl der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung sowohl hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit als auch der Angemessenheit ein weiter Beurteilungsspielraum zu, den er vorliegend nicht überschritten hat.

Die landesrechtlichen Regelungen, die Schließungen und Beschränkungen des Einzelhandels anordneten, zielten darauf ab, durch die Reduzierung zwischenmenschlicher Kontakte die weitere Verbreitung des Virus zu verlangsamen und das exponentielle Wachstum der Infektionen zu durchbrechen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden und die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Es liegt auch kein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot vor. Die Entscheidung der Landesregierung, Einzelhandelsbetriebe, welche der Grundversorgung dienen, von den grundsätzlichen Schließungsanordnungen auszunehmen, steht mit dem Gleichheitsgrundsatz in Einklang. Die Privilegierung des den Grundbedürfnissen der Bevölkerung dienenden Einzelhandels, der für das tägliche Leben nicht verzichtbare Produkte verkauft, ist durch gewichtige Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt.

Wenn sich die Landesregierung dafür entscheidet, bestimmte Branchen von Betriebsschließungen auszunehmen, ist sie bei der Ausgestaltung der hierzu getroffenen Regelungen an den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes gebunden. Dieser gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln.

Bei der Regelung eines dynamischen Infektionsgeschehens und der Notwendigkeit, schnelle, effektive Entscheidungen in einer sich ständig verändernden Lage zur Gefahrenabwehr zu treffen, sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen weniger streng. Dem Einschätzungsspielraum hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen wohnen notwendigerweise Generalisierungen inne. In diesem Zusammenhang sind auch gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen hinzunehmen, solange sich für das insgesamt gefundene Regelungsergebnis ein plausibler, sachlich vertretbarer Grund anführen lässt. Dies ist in dem zur Entscheidung stehenden Sachverhalt der Fall. Betrieben, welche für das tägliche Leben der Bevölkerung nicht verzichtbare Produkte verkaufen, kommt nämlich zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Bevölkerung eine besondere Bedeutung zu, sodass deren Privilegierung durch gewichtige Gemeinwohlbelange gerechtfertigt ist. Dass dies nicht nur Lebensmitteleinzelhandel umfasst, sondern auch ausgewählte andere Non-Food-Händler wie Baumärkte, die ebenfalls für die Grundversorgung erforderlich eingeordnet wurden, ist sachlich gerechtfertigt.

Der Umstand, dass dem privilegierten Einzelhandel mit Mischsortiment auch der Verkauf von Waren erlaubt wurde, die nicht der Grundversorgung dienen, obwohl anderen Betrieben die Betriebsöffnung untersagt war, ist ebenfalls durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Das Land konnte im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums davon ausgehen, dass der Verkauf von anderen Produkten in der Grundversorgung dienenden Geschäften jedenfalls dann, wenn sie nur einen untergeordneten Umfang annehmen, zu keinem zusätzlichen Anstieg der durch die Öffnung des Einzelhandels ohnehin geschaffenen Infektionsquellen führen würde. Gleichzeitig konnte es im Rahmen seines Beurteilungsspielraums davon ausgehen, dass eine Öffnung des nicht bereits aus anderen Gründen zu öffnenden Einzelhandels voraussichtlich einen erheblichen Anstieg dieser Infektionsquellen nach sich ziehen würde.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.


 

Anhang – Rechtsvorschriften

§ 28 IfSG (Schutzmaßnahmen)

(1) 1Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 28a, 28b und 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. 2Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. 3Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden. 4Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt.

[…]

§ 28a IfSG (Besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) bei epidemischer Lage von nationaler Tragweite)

(1) Notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) können für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Satz 1 durch den Deutschen Bundestag insbesondere sein

1.       Anordnung eines Abstandsgebots im öffentlichen Raum,

2.      Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht),

3.      Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises nach § 22a Absatz 1 bis 3,

4.      Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum,

5.      Verpflichtung zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten für Betriebe, Einrichtungen oder Angebote mit Publikumsverkehr,

6.      Untersagung oder Beschränkung von Freizeitveranstaltungen und ähnlichen Veranstaltungen,

7.       Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind,

8.      Untersagung oder Beschränkung von Kulturveranstaltungen oder des Betriebs von Kultureinrichtungen,

9.      Untersagung oder Beschränkung von Sportveranstaltungen und der Sportausübung,

10.     umfassendes oder auf bestimmte Zeiten beschränktes Verbot der Alkoholabgabe oder des Alkoholkonsums auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder in bestimmten öffentlich zugänglichen Einrichtungen,

11.      Untersagung von oder Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Veranstaltungen, Ansammlungen, Aufzügen, Versammlungen sowie religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften,

12.     Untersagung oder Beschränkung von Reisen; dies gilt insbesondere für touristische Reisen,

13.     Untersagung oder Beschränkung von Übernachtungsangeboten,

14.     Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von gastronomischen Einrichtungen,

15.     Schließung oder Beschränkung von Betrieben, Gewerben, Einzel- oder Großhandel,

16.     Untersagung oder Beschränkung des Betretens oder des Besuchs von Einrichtungen des Gesundheits- oder Sozialwesens,

17.     Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33, Hochschulen, außerschulischen Einrichtungen der Erwachsenenbildung oder ähnlichen Einrichtungen oder Erteilung von Auflagen für die Fortführung ihres Betriebs oder

18.     Anordnung der Verarbeitung der Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern, um nach Auftreten einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mögliche Infektionsketten nachverfolgen und unterbrechen zu können.

(2) 1Die Anordnung der folgenden Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 in Verbindung mit § 28 Absatz 1 ist nur zulässig, soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erheblich gefährdet wäre:

1.       Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes und von religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften nach Absatz 1 Nummer 11,

2.      Anordnung einer Ausgangsbeschränkung nach Absatz 1 Nummer 4, nach der das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zeiten oder zu bestimmten Zwecken zulässig ist, und

3.      Untersagung des Betretens oder des Besuchs von Einrichtungen im Sinne von Absatz 1 Nummer 16, wie zum Beispiel Alten- oder Pflegeheimen, Einrichtungen der Behindertenhilfe, Entbindungseinrichtungen oder Krankenhäusern für enge Angehörige von dort behandelten, gepflegten oder betreuten Personen.

2Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 Nummer 16 dürfen nicht zur vollständigen Isolation von einzelnen Personen oder Gruppen führen; ein Mindestmaß an sozialen Kontakten muss gewährleistet bleiben.

(3) 1Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach Absatz 1 in Verbindung mit § 28 Absatz 1, nach § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und den §§ 29 bis 32 sind insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten; dabei sind absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen. 2Zum präventiven Infektionsschutz können insbesondere die in Absatz 1 Nummer 1, 2, 3, 5 und 18 genannten Schutzmaßnahmen ergriffen werden. 3Weitergehende Schutzmaßnahmen sollen unter Berücksichtigung des jeweiligen regionalen und überregionalen Infektionsgeschehens mit dem Ziel getroffen werden, eine drohende Überlastung der regionalen und überregionalen stationären Versorgung zu vermeiden. 4Wesentlicher Maßstab für die weitergehenden Schutzmaßnahmen ist insbesondere die Anzahl der in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) in ein Krankenhaus aufgenommenen Personen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. 5Weitere Indikatoren wie die unter infektionsepidemiologischen Aspekten differenzierte Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten und die Anzahl der gegen die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) geimpften Personen sollen bei der Bewertung des Infektionsgeschehens berücksichtigt werden. 6Die Landesregierungen können im Rahmen der Festlegung der Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung der jeweiligen stationären Versorgungskapazitäten in einer Rechtsverordnung nach § 32 Schwellenwerte für die Indikatoren nach den Sätzen 4 und 5 festsetzen; entsprechend können die Schutzmaßnahmen innerhalb eines Landes regional differenziert werden. 7Das Robert Koch-Institut veröffentlicht im Internet unter https://www.rki.de/covid-19-trends werktäglich nach Altersgruppen differenzierte und mindestens auf einzelne Länder und auf das Bundesgebiet bezogene Daten zu Indikatoren nach den Sätzen 4 und 5. 8Die Länder können die Indikatoren nach den Sätzen 4 und 5 landesweit oder regional differenziert auch statt bezogen auf 100 000 Einwohner bezogen auf das Land oder die jeweilige Region als Maßstab verwenden.

(4) 1Im Rahmen der Kontaktdatenerhebung nach Absatz 1 Nummer 18 dürfen von den Verantwortlichen nur personenbezogene Angaben sowie Angaben zum Zeitraum und zum Ort des Aufenthaltes erhoben und verarbeitet werden, soweit dies zur Nachverfolgung von Kontaktpersonen zwingend notwendig ist. 2Die Verantwortlichen haben sicherzustellen, dass eine Kenntnisnahme der erfassten Daten durch Unbefugte ausgeschlossen ist. 3Die Daten dürfen nicht zu einem anderen Zweck als der Aushändigung auf Anforderung an die nach Landesrecht für die Erhebung der Daten zuständigen Stellen verwendet werden und sind vier Wochen nach Erhebung zu löschen. 4Die zuständigen Stellen nach Satz 3 sind berechtigt, die erhobenen Daten anzufordern, soweit dies zur Kontaktnachverfolgung nach § 25 Absatz 1 erforderlich ist. 5Die Verantwortlichen nach Satz 1 sind in diesen Fällen verpflichtet, den zuständigen Stellen nach Satz 3 die erhobenen Daten zu übermitteln. 6Eine Weitergabe der übermittelten Daten durch die zuständigen Stellen nach Satz 3 oder eine Weiterverwendung durch diese zu anderen Zwecken als der Kontaktnachverfolgung ist ausgeschlossen. 7Die den zuständigen Stellen nach Satz 3 übermittelten Daten sind von diesen unverzüglich irreversibel zu löschen, sobald die Daten für die Kontaktnachverfolgung nicht mehr benötigt werden.

(5) 1Rechtsverordnungen, die nach § 32 in Verbindung mit § 28 Absatz 1 und § 28a Absatz 1 erlassen werden, sind mit einer allgemeinen Begründung zu versehen und zeitlich zu befristen. 2Die Geltungsdauer beträgt grundsätzlich vier Wochen; sie kann verlängert werden.

(6) 1Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 in Verbindung mit § 28 Absatz 1, nach § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und nach den §§ 29 bis 31 können auch kumulativ angeordnet werden, soweit und solange es für eine wirksame Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist. 2Bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) sind soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vereinbar ist. 3Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nicht zwingend erforderlich ist.

§ 32 IfSG (Erlass von Rechtsverordnungen)

1Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 28b und 29 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. 2Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. 3Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) und des Brief- und Postgeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) können insoweit eingeschränkt werden.

Fußleiste