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Urteil im sogenannten "Raserprozess"

Datum: 15.11.2019

Kurzbeschreibung: Jugendkammer verurteilt den Angeklagten zu 5 Jahren Jugendstrafe

Die 4. Große Strafkammer – Jugendkammer – des Landgerichts Stuttgart hat heute das Urteil im sogenannten Raserprozess verkündet:

Der Angeklagte wurde wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennen und vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung zu einer Jugendstrafe von 5 Jahren verurteilt.

In einem von großem öffentlichen Interesse begleiteten Verfahren hat die Jugendkammer unter dem Vorsitz der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Cornelie Eßlinger-Graf an insgesamt 16 Verhandlungstagen knapp 100 Zeugen, Sachverständige und sachverständige Zeugen vernommen.

Sachverständig beraten hielt es das Gericht für geboten, auf den zum Tatzeitpunkt 20-jährigen Angeklagten aufgrund seiner erheblichen Reifeverzögerungen das Jugendstrafrecht anzuwenden.

Die Jugendkammer konnte sich unter Anwendung des Zweifelgrundsatzes nicht die Überzeugung bilden, dass der Angeklagte hier vorsätzlich den Tod der beiden Opfer herbeigeführt hat und ging von einer fahrlässigen Tötung aus. Allerdings nahm die Kammer an, dass der Angeklagte durch sein Fahrverhalten jedenfalls die zugrundeliegende Gefahr vorsätzlich herbeigeführt hat.

Nach Auffassung der Jugendkammer war der Angeklagte demnach wegen Verbotenen Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 StGB in Tateinheit mit einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2d StGB zu bestrafen.

Die Strafvorschrift des § 315d StGB erfasst nicht nur illegale Autorennen, sondern ausdrücklich auch das grob rücksichtslose und verkehrswidrige Fahren mit Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr („Rasen“). Das Gericht sah zudem die besondere Erfolgsqualifikation des Absatz 5 der Vorschrift als gegeben an, da der Angeklagte durch die Tat den Tod zweier Menschen verursacht hat.

Soweit erkennbar, handelt es sich um die erste Verurteilung bundesweit, die sich auf die neue Strafvorschrift des § 315d StGB in der Variante der Erfolgsqualifikation stützt. Der Gesetzgeber hatte die Vorschrift erst am 30.09.2017 in das Strafgesetzbuch eingefügt und damit eine wesentliche Strafbarkeitslücke geschlossen.

Daneben verurteilte die Kammer den Angeklagten aufgrund seiner grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Fahrweise wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung.

Das Gericht hielt wegen der Schwere der Schuld die Verhängung einer Jugendstrafe in Höhe von 5 Jahren für erforderlich und erzieherisch geboten.

Zudem wurde dem Angeklagten untersagt, für die Dauer von vier Jahren nach seiner Haftentlassung Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.



Urteil LG Stuttgart vom 15.11.2019 – Az. Az. 4 Kls 60 Js 24715/19 jug.
Pressekontakt: Dr. Christoph Buchert, Mediensprecher in Strafsachen



§ 315d StGB
Verbotene Kraftfahrzeugrennen
(1) Wer im Straßenverkehr
1. ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt,
2. als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt oder
3. sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 oder 3 Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 strafbar.
(4) Wer in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(5) Verursacht der Täter in den Fällen des Absatzes 2 durch die Tat den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

                        

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