• Sie sind hier:
  • Startseite / 
  • Aktuelles / 
  • Pressemitteilungen / 
  • Jahrespressegespräch 2021: Internationale Fahndungserfolge bei verschlüsselten Messengerdiensten führen zu starkem Anstieg der Anklagen

Suchfunktion

Jahrespressegespräch 2021: Internationale Fahndungserfolge bei verschlüsselten Messengerdiensten führen zu starkem Anstieg der Anklagen

Datum: 13.08.2021

Kurzbeschreibung: Starker Anstieg von Strafverfahren in Zusammenhang mit der Entschlüsselung sog. Krypto-Messenger-Dienste / Präsident Dr. Singer: „Verfahren gegen die organisierte Kriminalität werden mit höchster Priorität geführt.“

Heute folgten zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der regionalen und überregionalen Medien der Einladung zum jährlichen Pressegespräch am Landgericht Stuttgart. Zu den aktuellen Themen gehörte der starke Anstieg von Strafverfahren in Zusammenhang mit der Entschlüsselung sog. Krypto-Messenger-Dienste.

Verfahren vor den Allgemeinen Strafkammern steigen um 71 %

Fahndungserfolge der französischen und niederländischen Ermittlungsbehörden führten weltweit zur Einleitung zahlreicher Strafverfahren: Den Ermittlern war es im letzten Jahr gelungen, die Verschlüsselung des niederländischen Messengerdienstes EncroChat zu entschlüsseln und millionenfach Nachrichten abzuschöpfen. Wie sich herausstellte, wurden die speziell angefertigten Krypto-Handys auch von etlichen Verdächtigen in Deutschland genutzt. Die Erkenntnisse wurden über EUROPOL den deutschen Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt. Bundesweit wurden nach Po-lizeiangaben über 2.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet, davon allein 150 Verfahren in Baden-Württemberg. Die Strafverfahren betreffen vornehmlich Rauschgift- und Waffendelikte, die der organisierten Kriminalität zugerechnet werden.

Im März 2021 wurde zudem der kanadische Messengerdienst Sky ECC entschlüsselt. Auch dieser soll nach Polizeiangaben vornehmlich von Kriminellen genutzt worden sein. Nach der Einstellung der Krypto-Messenger EncroChat und Sky ECC wichen zahlreiche Nutzer auf die vermeintlich sichere Kommunikationsplattform ANOM aus, welche tatsächlich jedoch im Rahmen der Operation Trojan Shield vom FBI betrieben und ausgelesen wurde. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse werden ebenfalls über EUROPOL mit den deutschen Ermittlungsbehörden geteilt.

„Beim Landgericht Stuttgart verzeichnen wir im ersten Halbjahr 2021 einen starken Anstieg der Verfahren vor den Allgemeinen Strafkammern um 71% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Diese Entwicklung ist maßgeblich auf zahlreiche Anklagen gegen die organisierte Kriminalität zurückzuführen“, berichtete Präsident Dr. Andreas Singer. Häufig handelt es sich um eilige Haftsachen, wobei regelmäßig gleich mehrere Personen angeklagt werden. Schon jetzt sind 17 „EncroChat“-Strafverfahren gegen 39 Angeklagte beim größten Gericht des Landes eingegangen. Doch das ist nur der Anfang. So hat die Staatsanwaltschaft bereits zahlreiche weitere Verfahren angekündigt. „Die Verfahren gegen die organisierte Kriminalität werden von den Strafkammern des Landgerichts Stuttgart mit höchster Priorität geführt. So konnten bereits acht „Encro-Chat“-Strafverfahren gegen insgesamt 15 Angeklagte mit zum Teil langjährigen Haftstrafen abgeschlossen werden“, betonte der Präsident.

EncroChat war ein von 2016 - 2020 aktiver Telekommunikationsanbieter mit Sitz in Amsterdam, welcher verschlüsselte Chat-Services und modifizierte Android-Telefone anbot (sog. Krypto-Handys), bei denen GPS-, Kamera- und Mikrofon-Hardware entfernt war. Nach Erkenntnissen der französischen Polizei waren über 90 % der Kunden in kriminelle Aktivitäten verwickelt.

Sky ECC war ein von 2008 – 2021 aktiver Messengerdienst mit Sitz in Vancouver, welcher ähnliche Dienstleistungen wie EncroChat angeboten hatte und u.a. in Belgien und den Niederlanden vermehrt genutzt wurde.

Bei ANOM handelt es sich um eine vom FBI im Rahmen der Operation Trojan Shield entwickelte Verschlüsselungs-App, die von Panama aus in das kriminelle Milieu eingeschleust wurde.

Verfahren mit hohem Sicherungsbedarf

Neben den Verfahren gegen die organisierte Kriminalität sind beim Landgericht Stuttgart seit dem letzten Jahr überdurchschnittlich viele Anklagen mit einem hohen Sicherungsbedarf eingegangen:

Hierbei handelt es sich einerseits um Verfahren mit politischem Schwerpunkt, wie dem vor der 9. Großen Strafkammer über zehn Verhandlungstage geführten Prozess gegen zwei der linken Szene zugeordnete Täter, die u.a. einen Brandsatz an einem Seitenausgang der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg angebracht hatten.

Auch die Sicherung des Verfahrens bei der 3. Großen Jugendstrafkammer, in dem den zwei der linken Szene zugeordneten Angeklagten vorgeworfen wird, am Rande einer „Querdenker“- Demonstration Angehörige einer rechtsgerichteten Gewerkschaft angegriffen zu haben, bindet an jedem Prozesstag zahlreiche Einsatzkräfte der Polizei, des Justizvollzugs und der Gerichte. Aus Sicherheitsgründen finden die voraussichtlich 25 Verhandlungstage ausschließlich im Sitzungssaalgebäude in Stuttgart-Stammheim statt. Dort verhandelt ein Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts parallel ein äußerst umfangreiches Verfahren gegen 12 mutmaßliche Mitglieder einer rechtsgerichteten Gruppierung.

Besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordern auch die zahlreichen Strafverfahren in Zusammenhang mit der sog. Stuttgarter Krawallnacht. Alleine die Gewalttaten in der Nacht auf den 21. Juni 2020 führten beim Landgericht Stuttgart schon jetzt zu 23 Berufungsverfahren sowie einer erstinstanzlichen Haftsache.

„Die Sicherung all dieser Verfahren stellt uns vor große Herausforderungen. Den riesigen organisatorischen und personellen Aufwand können wir nur dank der Unterstützung anderer Gerichte, des Justizvollzugs und der Polizei bewältigen“, stellte der Präsident klar.


VRLG Dr. Johannes Steinbach, Pressesprecher in Strafsachen, Tel.: 0711-212-3800

Fußleiste