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Verfahren gegen Heiler und Exorzisten wegen Vergewaltigung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingestellt

Datum: 05.04.2017

Kurzbeschreibung: Tatnachweis eines Verbrechens konnte nicht geführt werden

Die 2. Große Jugendkammer hat das Strafverfahren gegen einen als Heiler und Exorzisten tätigen 56 Jahre alten Mann wegen des Vorwurfes des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-/ Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses zum Teil in Tateinheit mit exhibitionistischer Handlung, Vergewaltigung bzw. Körperverletzung (2 KLs 21 Js 17728/16) mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Stuttgart und des Angeklagten gemäß § 153 Absatz 2 StPO wegen geringer Schuld ohne weitere Auflagen eingestellt. Dem Angeklagten wird zudem für die erlittene Untersuchungshaft Entschädigung gewährt. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen außerdem im Wesentlichen der Staatskasse zur Last. Zuvor hatte die Kammer den gegen den Angeklagten bestehenden Haftbefehl bereits aufgehoben.

 Nach dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme konnte der Tatnachweis eines Verbrechens nicht geführt werden. Insbesondere wäre nach Überzeugung der Kammer eine Verurteilung wegen Vergewaltigung oder sonstiger gravierender Missbrauchsvorwürfe nicht in Betracht gekommen.

 Zu dem Aussageverhalten der mutmaßlich Geschädigten und weiterer Zeugen aus deren Umfeld hatte zuletzt die aussagepsychologische Sachverständige eine aktuelle schriftliche Stellungnahme vorgelegt, wonach die Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten nunmehr in Zweifel gezogen wurde. Die aussagepsychologische Analyse der aktuellen Beweiserhebungen habe eine Änderung in Bezug auf das schriftliche Sachverständigengutachten ergeben. Hiernach sei nach aktueller Einschätzung ein Erlebnisbezug der Aussage der mutmaßlich Geschädigten nicht (mehr) belegbar. Die Kammer schloss sich dieser gutachterlichen Bewertung an.

 Die infolgedessen allenfalls noch im Raum stehenden Vorwürfe wären - so die Große Jugendkammer - allesamt im Bereich der Vergehen einzuordnen gewesen. Insbesondere auch im Hinblick auf die bereits über ein Jahr andauernde Untersuchungshaft des Angeklagten und dessen besondere Haftempfindlichkeit wäre die bei einer Verurteilung noch zu erwartende Schuld daher gering.

Da der derzeit noch bestehende Tatverdacht erheblich hinter dem zurückbleibt, der zur Untersuchungshaft geführt hat, hat die Kammer außerdem eine Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft gewährt (§§ 8 Absatz 1 Satz 1, 3 StrEG).

 

§ 153 StPO (Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit)

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

 (2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

§ 12 StGB (Verbrechen und Vergehen)

(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.

(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.

(3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht.

§3 StrEG (Entschädigung bei Einstellung nach Ermessensvorschrift)

Wird das Verfahren nach einer Vorschrift eingestellt, die dies nach dem Ermessen des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft zuläßt, so kann für die in § 2 genannten Strafverfolgungsmaßnahmen eine Entschädigung gewährt werden, soweit dies nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht.

 

Elena Gihr, Mediensprecherin in Strafsachen, Tel.: 0711-212-3800

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